4.1. System


Die Bezeichnung „Buchhaltung 3.0“ ist in Abgrenzung zu den beiden Kapiteln zuvor etwas problematisch, denn der Ansatz wird stark erweitert, war über eine Buchhaltung im eigentlichen Sinn hinausgeht. Vieles aus der Buchhaltung 2.0 wird auch nur einfach überführt und in größere Zusammenhäng eingebunden. In diesen Teilen geht die Erneuerung nicht sehr weit.

Die Bezeichnung lässt sich aber mit Funktion des Rechnungswesens als Navigationssystem der Unternehmensführung rechtfertigen. Gerade weil die weiteren Elemente in dieses Navigationssystem aufgenommen werden liegt eine neue Qualität vor. An der Bezeichnung als Buchhaltung sollte man sich dann nicht stören.

4.1.1. Philosophie

 

Das Rechnungswesen ist eine modellhafte Abbildung des Unternehmens. Der Modellbegriff kann mehrfach unterschieden werden. So werden z.B. Oldtimer-Miniaturen, dreidimensionale Darstellungen eines Neubauprojekts oder auch Simulationen von Klimaforschern als Modelle bezeichnet. Diese können noch in Erklärungsmodelle und Entscheidungsmodelle unterschieden werden, was die o.g. Beispiele verdeutlichen können. Die Oldtimer-Miniatur ist ein Erklärungsmodell, weil sie das Aussehen eines Autos der Vergangenheit veranschaulicht. Die Darstellung eines Neubauprojekts dient dagegen als Entscheidungsmodell der Präsentation der Zukunft. Mehrere Varianten der Zukunft können damit verglichen werden um sich für die beste zu entscheiden. Modelle müssen dabei nicht real, sondern können wie das Klima-Modell auch virtuell sein. Virtuelle Modelle können als kombinierte Erklärungs- und Entscheidungsmodelle dabei die Ursachen für Beobachtungen der Vergangenheit erklären und auf dieser Basis aus Entscheidungen der Gegenwart (z.B. Verringerung des CO2-Ausstosses) zukünftige Entwicklungen simulieren. Damit dienen diese Modelle zur Auswahl der Entscheidungen, die die günstigste Entwicklung in der Zukunft versprechen.

Es gibt eine Tendenz, die Modelle ständig zu verfeinern. Das gilt auch für die modellhafte Darstellung des Unternehmens, die bisher ein virtuelles Zahlenmodell aus finanziell relevanten Größen war. Schon zur Zeit von Paccioli konnte in der Buchhaltung aber zwischen der Arbeitsebene und der Auswertungsebene unterschieden werden. Die Erstellung von Auswertungen war mühsam und so dominierte die Bereitstellung von Daten für das Tagesgeschäft. Auf der Arbeitsebene wurden dabei die Daten erzeugt, die auf der Auswertungsebene genutzt wurden. Mit der Nutzung der EDV waren viele Auswertungen ständig verfügbar. Die Auswertungen konnten in immer kürzeren Abständen erfolgen. Gleichzeitig war die Arbeitsebene leistungsfähiger. 

Vor diesem Hintergrund sollen heute alle betrieblichen Prozesse erfasst werden. Die Buchhaltung soll zum Gedächtnis des Unternehmens ausgebaut werden. Wie im menschlichen Gedächtnis muss auch hier zwischen wichtig und unwichtig unterschieden werden. Deshalb müssen zunächst die betrieblichen Abläufe bekannt sein. Damit werden dann die Informationen als wichtig erkannt, die in diese Abläufe passen. 

Mit der Erweiterung auf das ganze Unternehmen werden auch Ziele mit der Vorgehensweise aus Abb. 12 auf Seite 70 kontrolliert, die keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen müssen. So kann sich das Unternehmen Umweltschutzziele setzen und ein Berichtswesen einrichten, mit dem die Erreichung dieses Planes kontrolliert wird.

Die Grafik auf der Titelseite zu diesem Kapitel sagt, dass viele organisatorische und technische Werkzeuge, mit denen die praktische Arbeit erledigt wird, in das ERP einfließen. Die Grafik nennt die Aufgabenbereiche:

Business Intelligence                     Produktion                        Vorräte
Logistik                                             Einkauf                               Verkauf
Personal/HR                                    Konstruktion                     Planung
Investition und Finanzierung        Controlling                        Rechnungswesen

Hier gibt es eigene Softwarelösungen. Sie werden in einem ERP-System so koordiniert, dass Daten in andere Anwendungen übertragen und alle Informationen aus allen Anwendungen überall eingesehen werden können. Natürlich kann mit Berechtigungscodes der Zugang aus Sicherheitsgründen auch beschränkt werden. 

4.1.2. Mengen und Beträge


Eine wesentliche Änderung gegenüber der Buchhaltung 1.0 und 2.0 ist die durchgängige Kombination von Mengen- und Geldeinheiten, sofern es nicht wie bei Forderungen, Verbindlichkeiten und Zahlungsmitteln schon der Sache nach nur um Geldeinheiten gehen kann. Aber selbst hier könnte mit der Nutzung von Mengeneinheiten die Inflation herausgerechnet werden.


Bei der operativen Tätigkeit ist meistens nur die Mengeneinheit von Bedeutung. Bei der Beschaffung geht es um Mengeneinheiten der verschiedensten Input-Faktoren, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein müssen. In der Produktion soll die geplante Menge in der geplanten Zeit hergestellt werden, für die vielleicht schon Liefertermine mit den Kunden vereinbart wurden. Auch im Verkauf geht es im Absatzziele, also wieder um Mengeneinheiten. Werden sie nicht erreicht, leidet der ganze Betrieb unter einer Unterauslastung.

Die Buchführung 3.0, die alle betrieblichen Funktionen im ERP integrieren will, muss diesen Anforderungen gerecht werden. Sie kann aber auch gleichzeitig die Mengen automatisiert (Menge × Wert = Betrag) bewerten und bei den handelnden Personen das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen stärken.   

4.1.3. Vergangenheit und Zukunft


Die Unternehmen werden nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart mit Ausrichtung auf die Zukunft geführt. Die Daten, auf sich die Unternehmensführung stützen kann, stammen aber aus der Vergangenheit. Es ist deshalb das Anliegen der Buchhaltung 3.0, auch Daten für die Zukunft zu erzeugen.

Die verfügbaren Daten werden zunächst in Mengen- und Geldeinheiten für Vergangenheit und Zukunft erfasst. Die Mengeneinheiten können direkt erfasst oder aus den Beträgen abgeleitet werden. Beide Methoden können je nach Art der Vorgänge kombiniert werden. Die Zukunft wird aus der Vergangenheit abgeleitet. Die Vorgehensweise kann wie folgt dargestellt werden, wobei die kursiven Wörter für die Eingabe von Daten steht:

Abb. 21: Vergangenheit und Zukunft

(Quelle: eigene Darstellung)


Für die Vergangenheit wird also neben den Beträgen aus der Buchhaltung eine Statistik über Verbrauchs-, Produktions- und Verkaufsmengen benötigt. Sofern es bei einzelnen Verbrauchsmengen nicht sinnvoll ist, differenzierte Statistiken zu führen, ist das Niveau der Einkaufspreise zu beobachten und die Preisentwicklung in einem Preisindex auszudrücken. Die daraus abgeleiteten künstlichen Verbrauchsmengen sind dann die Verbräuche auf Basis der Preise des Jahres, in dem das System eingeführt wurde.  Die Werte der Zukunft sind dann eine Verlängerung der Vergangenheit. Für die Mengeneinheiten muss eine Erwartung gebildet werden, z.B. weil eine geplante Steigerung der Verkaufszahlten auch eine höhere Produktion und dann auch höhere Verbrauchsmengen bedeuten.

 

4.1.4. Enterprise Ressource Planning (ERP)


Die Umsetzung der Buchhaltung 3.0 in den Unternehmen ist häufig ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Unternehmensberater. Die Softwareanbieter verkaufen nur ihre Programme, und die Unternehmen sind mit ihrer Einrichtung überfordert. Die Berater kennen dagegen die Möglichkeiten der Software, aber nicht die Abläufe in den Betrieben. Am Ende verursacht die Einführung von ERP-Systemen hohe Kosten und bringt nicht die gewünschten Ergebnisse.

Eine alternative Möglichkeit wäre, dass ein ERP-System für ein fiktives Musterunternehmen eingerichtet wird. Die Unternehmen könnten sich dann diesen Vorschlag kopieren und an ihre Bedürfnisse anpassen. In vielen Fällen wären Texte zu verändern. Eher selten müssten völlig neue Abläufe eingerichtet werden, die die Musterorganisation nicht vorgesehen hätte. Wenn viele unterschiedliche Musterorganisationen für verschiedene Branchen, Unternehmensgrößen und Rechtsformen existieren würden, wäre die Passgenauigkeit mit Konfektionskleidung vergleichbar, mit der sich die große Masse der Bevölkerung problemlos einkleiden kann. Dieser Gedanke soll in diesem Kapitel vertieft werden.

In Abb. 1 auf Seite 9 wurde der Wertschöpfungsprozess grob vorgestellt. Potential- und Repitierfaktoren (= Investitionen und laufende Einkäufe) werden in der Produktion zu Produkten neu kombiniert und verkauft, wobei noch der Produktionsfaktor Arbeit in diesen Prozess einfließt und der Kapitaleinsatz ihn ermöglicht.

Die einzelnen Rechtecke gliedern sich in verschiedene Aufgaben auf. Sie sind mehr oder weniger stark mit anderen Aufgaben vernetzt. Diese Aufgliederung und Vernetzung ist Gegenstand der restlichen Beschreibung dieses Kapitels. Sie kann als Anforderungskatalog verstanden werden, was bei einer Programmierung zu beachten wäre. Dabei bilden die Abläufe in Industriebetrieben den gedanklichen Hintergrund. Sie sind aber auch auf andere Branchen übertragbar.

Die folgende Abbildung verfeinert die grobe Darstellung etwas und bereitet sie für das ERP-Konzept auf: 

Abb. 22: Wertschöpfung und ERP

(Quelle: eigene Darstellung)

 

4.1.5. Technik der Beschreibung


Die Aufgliederung der Abb. 22 auf Seite 94 kann wie folgt erfolgen, die erläuterungsbedürftig ist:

 

Abb. 23: Vernetzung von Aufgaben und Funktionen

(Quelle: eigene Darstellung)


Mit dieser Grafik und den folgenden Ausführungen werden die Arbeitsteilung und der Informationsfluss in einem Unternehmen beschrieben, der unabhängig von den konkreten Produkten und den Branchen ähnlich ist.

Aus den Buchstaben in den Rechtecken der Abb. 23 aus Seite 96 ergibt sich eine Zuordnung zu den verschiedenen Funktionen eines ERP-System nach dem links abgebildeten Kreis; die verwendeten Farben für die Rechtecke haben die in den rechts abgebildeten Rechtecken angegebene Bedeutung:

Abb. 24: Erläuterung der Abbildung 23

(Quelle: eigene Darstellung)


Die Zahlen der Rechtecke in der Abb. 23 auf Seite 96 verweisen auf die Abschnitte der folgenden Abschnitte. Die Zahl ist am Ende der Überschrift in Klammern angegeben. In diesen Abschnitten werden auch die Pfeile erläutert, die ebenfalls durchnummeriert sind.