Wahrscheinlich war schon die Erfindung der Schriftzeichen ein Schritt zur Entwicklung einer Buchführung. Die Menschen wollten einen Überblick über ihre Vorräte haben.
Die Buchführung ist also sehr alt, auch wenn dieses Kapitel nicht bis in die Frühgeschichte der Menschheit zurückgehen will.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Entstehung der Buchhaltung in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung von Schriftzeichen steht. Frühe Aufzeichnungen behandeln oft Produktions- und
Lagermengen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Vielleicht wurde die Schrift nur erfunden, um eine Buchhaltung aufbauen zu können. Ohne Schriftzeichen wäre sie nicht möglich gewesen.
Italienische Kaufleute entwickelten im 14. Jh. das System der doppelten Buchführung. Erhaltene Hauptbücher der Regierung von Genua aus dem Jahr 1340 mit den Einnahmen und Ausgaben der
Regierung sowie sämtlichen Debitoren aus Steuern, Anleihen und Strafen weisen eindeutige Merkmale der doppelten Buchführung auf. (Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller e.V.,
https://www.bvbc.de/baden-wuerttemberg/chronik/ geschichte-der-buchhaltung/) Indirekte Hinweise auf ihre Existenz werden sogar auf 1310 datiert. Sie verwendet statt der römischen die
arabischen Zahlen und erfasste außerdem jeden Geschäftsvorfall zweimal, und nicht nur einmal – und zwar jeweils einmal auf der Soll-, und einmal auf der Haben-Seite.
Luca Pacioli beschrieb diese Methode 1494 in einem gedruckten Buch als venezianische Buchführung – und verbreitete sie damit als neuen Standard von Italien aus in ganz Europa. Sein auf Latein
verfasstes Buch „Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionita“ befasst sich nur in einem Kapitel mit der venezianischen Buchführung und behandelt ansonsten das System der
arabischen Zahlen, das über die Handelskontakte der Republik Venedig nach Europa gelangte. Aus dem Jahr 1511 ist zum ersten Mal eine Bilanz nach dem Verfahren der doppelten Buchführung aus
Deutschland überliefert – vom Buchhalter des Handelshauses Fugger, Matthäus Schwarz. Die arabischen Zahlen wurden mit dem Buch „Rechnung auff der Linihen und Federn“ von Adam Ries (bzw.
Riese) im Jahr 1524 auf Deutsch umfassend erklärt. Im 16. Jh. verbreiteten sich die doppelte Buchhaltung und die arabischen Zahlen während der Periode des Merkantilismus über ganz
Europa, und um Zuge des Kolonialismus später über die ganze Welt. Mit ihr konnten auch Großunternehmen effektiv gesteuert werden.
Zeitgleich wurden die römischen Zahlen durch die arabischen Zahlen im Dezimalsystem verdrängt. Weil die doppelte Buchführung mit römischen Zahlen nicht funktioniert hätte und weil ohne die
Buchführung die Verwendung der arabischen Zahlen nicht so zwingend nötig gewesen wäre, haben sich beide Neuerungen gegenseitig verstärkt.
Pacioli war ein Freund von Leonardo da Vinci und die von ihm beschriebene Methode war wie viele Ideen Leonardos genial. Sie berücksichtigte die begrenzte Kapazität des menschlichen Gehirns
und wurde ohne wesentliche Veränderungen ca. 490 Jahre verwendet. Aber auch gute Methoden werden eines Tages durch bessere ersetzt!
Die Industrialisierung verlangte nach einer Erweiterung der Methode. Im Merkantilismus steuerten große Handelshäuser mit der doppelten Buchführung ihre Geschäfte. Die Waren wurden über
größere Distanzen transportiert und blieben dabei physisch meist unverändert. Die Weiterverarbeitung übernahmen kleinere Unternehmer. Die doppelte Buchführung war damit auf den Handel
ausgerichtet.
Mit der Industrialisierung und dem entstehen größerer Fabriken, verschob sich die Aufmerksamkeit auf die Wertschöpfung durch eine Veränderung der eingekauften Waren und durch den Einsatz von
Arbeitskräften und Maschinen. Die Buchführung wurde durch eine Kostenrechnung ergänzt. Hier geht es darum, die Wertschöpfung vom Input (= Kostenarten) über die im Betrieb (in Kostenstellen)
ablaufenden Prozesse zum Output (= Kostenträger) nachzuzeichnen und zu bewerten.
Es gab Ansätze, die Kostenrechnung auf Konten abzubilden und damit in das System der doppelten Buchführung zu integrieren. Diese Versuche wurden aber wieder als zu arbeitsaufwendig verworfen;
oder sie konnten sich nie in den Unternehmen durchsetzen. In den Lehrbüchern sind aber Teile dieser Ansätze enthalten geblieben. Stattdessen wurde die Kostenrechnung als separates System
verstanden und tabellarisch als Auswertung der Buchhaltung entwickelt. Das führte zu einer strikten Trennung zwischen externem und internem Rechnungswesen. Erst im Zuge der Digitalisierung
wurden beide Systeme wieder stärker miteinander verbunden.
Im Zuge der Moderne und des Industriezeitalters gerät die Buchhaltung in den Blickpunkt der Gesetzgebung und wird zunehmend reglementiert. Dazu zählt 1794 die Einführung der allgemeinen
Bilanzierungspflicht für Unternehmen mit dem Allgemeinen Preußischen Landrecht oder im französischen Code de Commerce von 1807, aber auch die Entstehung des preußischen Handelsgesetzbuches
von 1861, das 1897 in das deutsche Handelsgesetzbuch umgewandelt wurde und in seinen Grundzügen auch heute noch gültig ist.
Mit dem Erlass des Reichs- und Preuß. Wirtschaftsministers und des Reichskommissars für die Preisbildung v. 11.11.37 – II 19263/37 VI 9991/37 betr. Richtlinien zur Organisation der
Buchführung (im Rahmen eines einheitlichen Rechnungswesens) im MinBl f. Wirtschaft 1937 S. 239 und dem Erlass des Reichs- und Preuß. Wirtschaftsministers und des Reichskommissars für die
Preisbildung v. 16.1.39 – S 5151/39 VII – 50 – 49/39 betr. Allgemeine Grundsätze der Kostenrechnung wurde das externe und interne Rechnungswesen in Deutschland stark reglementiert. Obwohl die
Regelungen 1953 außer Kraft getreten sind haben sie die Unternehmen bei der Ausgestaltung ihres Rechnungswesens stark beeinflusst.
Nach 1953 waren nur noch die Regelungen des HGB und für Kapitalgesellschaften zusätzlich das AktG maßgebend, auf das das GmbHG Bezug nahm. Im Rahmen der Übernahme der 4., 7. und 8.
gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EG in deutsches Recht wurden die Regeln des AktG 1985 in das 3. Buch des HGB übernommen und die Bilanzierung neu geregelt. Im Zuge der Globalisierung
der Kapitalmärkte ab etwa der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gewannen internationale Regelwerke an Bedeutung, die von den USA wesentlich beeinflusst wurden.
Der Rat der Europäischen Union stimmte 2003 einer Verordnung zu, mit der die Anwendung der International Accounting Standards - IAS (später in International Financial Reporting Standards -
IFRS - umbenannt) ab 2005 für Konzernabschlüsse von kapitalmarktorientierten Unternehmen verbindlich vorschreibt. Im Rahmen dieser Entwicklung löst sich Deutschland von den bisher im HGB
kodifizierten Rechnungslegungsgrundsätzen und wendet sich in erster Linie angloamerikanischen Bilanzregeln zu.
Das HGB wie auch die IFRS regeln die Inhalte der aufzustellenden und ggf. zu veröffentlichenden Auswertungen und schreiben keine konkrete Buchhaltungstechnik vor. Die Doppelte Buchführung
kann also auch durch eine andere Technik ersetzt werden, wenn sie den Qualitäts-anforderungen entspricht.
Auch bei der Digitalisierung ist ein Zusammenhang zwischen Buchhaltung und Technik zu beobachten. Wie bei der Entwicklung von Schriftzeichen und der Einführung der arabischen Zahlen gehörte
die Aufzeichnung betrieblicher Vorgänge zu den ersten Anwendungsbereichen der EDV. Mehrere Jahrhunderte basierte die Buchhaltung wie auch seit etwa 130 Jahren die Kostenrechnung auf der
manuellen Übertragung von Zahlen auf Papier. Seit ca. 30-40 Jahren werden von den Unternehmen neuere, EDV-gestützte Verfahren eingesetzt, die zunächst die doppelte Buchführung nach Paccioli
nur elektronisch nachgebildet haben. Zunächst wurden nur einzelne Arbeitsschritte von den Maschinen ersetzt, danach aber auch zusätzliche Auswertungen geschaffen. Auf dieser Grundlage
entwickelten sich Verknüpfungen und Datentransfers mit EDV-Anwendungen außerhalb der Buchhaltung. Seit etwa 15 Jahren gibt es eine Tendenz, diese Anwendungen zusammenzuführen und die
Orientierung auf die Darstellung der Vergangenheit zu einer Datenbasis für die Zukunft zu erweitern. Diese Techniken sind aber noch nicht bis in die Lehrbücher durchgedrungen.
Diese Techniken werden aber auch als Betriebsgeheimnis der Softwareanbieter behandelt. Es ist jetzt an der Zeit, wie Pacioli vor 525 Jahren mit der venezianischen Buchhaltung die heutigen
Möglichkeiten als stringentes System zu beschreiben und damit die Methode von 1494 auch in den Lehrbüchern abzulösen. Gleichzeitig kann sie damit auch für kleine Unternehmen geöffnet werden,
die sich die teure Software nicht leisten wollen und denen auch die Fachkräfte für ihre Bedienung fehlten. Wenn eine weltweit verbreitete Methode abgelöst werden soll, darf sie nicht nur in
den Industrieländern einsetzbar sein.
Im 21. Jahrhundert wächst die Erkenntnis, dass organisatorisches und technisches Wissen ein vierter Produktionsfaktor ist. Dieser Faktor kann auch leicht vermehrt werden. Wie im 19.
Jahrhundert menschliche Arbeitskraft von Maschinen ersetzt wurde, so kann heute der Einsatz von Kapital und Arbeit mit einer intelligenteren Organisation der Produktion reduziert werden, und
man kann auch die natürlichen Ressourcen schonen. Dafür müssen die Prozesse und Teilprozesse zunächst genau analysiert und später vereinfacht werden. Die Identifikation der einzelnen Prozesse
und Teilprozesse ist nötig, um sie ständig beurteilen und verbessern zu können. Alle bewusst ablaufenden Prozesse werden mehr oder weniger intensiv geplant und dann nach diesem Plan
durchgeführt.
Der ökonomische Prozess geht von der Produktion eines Nutzens für die Kunden des Unternehmens aus, der den Betriebszweck darstellt. Das Unternehmen verkauft diesen Nutzen, wenn der Erlös aus
dem Verkauf größer ist als die Kosten für seine Produktion. Die Kunden kaufen ihn, wenn sie den Nutzen höher bewerten als den Preis, den das Unternehmen fordert. Die Produktion des Nutzens
ist durch die Kapazitäten der Unternehmen begrenzt. Die Kunden haben nur ein begrenztes Einkommen zur Verfügung. Sie müssen Prioritäten setzen und kaufen zunächst die existenziell notwendigen
Waren, danach suchen sie nach der maximalen Differenz zwischen Nutzen und Preis. Die Unternehmen produzieren vorrangig die Waren und Dienstleistungen mit der größten Differenz zwischen Preis
und Kosten.
Abb. 1: Wertschöpfungsprozess
Quelle: eigene Darstellung
In der betrieblichen Wertschöpfung findet eine Kombination der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit statt. Konkret wird der Einsatz von Personal und Finanzen koordiniert. Beim
Kapitaleinsatz wird zwischen Potentialfaktoren und Repetierfaktoren unterschieden. Potentialfaktoren entstehen durch Investitionen, die die Kapazität des Betriebes bestimmen. Repetierfaktoren
werden in der betrieblichen Wertschöpfung laufend verbraucht und wieder ersetzt. Der Personaleinsatz ist überwiegend den Potentialfaktoren zuzuordnen. Das Personal muss zunächst rekrutiert
und oft auch ausgebildet oder angelernt werden. Zum Potential zählt auch die Berufserfahrung der Arbeitnehmer. In geringem Umfang ist die Arbeitskraft aber auch Potentialfaktor, wenn die
Arbeitnehmer Mehrarbeit leisten und dafür zusätzlich bezahlt werden.
Neben den Potential- und Repetierfaktoren kann noch der Dispositive Faktor identifiziert werden, also die Fähigkeit zu einer optimalen Organisation und Koordination der Prozesse. Er schafft
einen positiven Abstand zwischen den Verkaufspreisen und den Stückkosten und erwirtschaftet am Ende die Gewinne. Der Dispositive Faktor wird hauptsächlich beim Verkauf der Produkte wirksam.
Dazu zählt im weiteren Sinne auch die Kommunikation mit der Umwelt, mit der ein positives Image des Unternehmens aufgebaut und gepflegt, was eine langfristige Voraussetzung für den Verkauf
der eigenen Produkte ist.
Die Aufgabe der Buchhaltung ist die Unterstützung der Unternehmensführung mit Daten. Sie ist mit dem Cockpit eines Autos vergleichbar: Der Fahrer steuert, aber die Instrumente liefern ihm die
Daten.
Als Datenlieferant und Navigationssystem hat das Rechnungswesen in der heutigen Wirtschaft also eine zentrale Bedeutung. Kann der Autofahrer nichts sehen, dann ist ein Unfall sehr
wahrscheinlich. Ohne einen Überblick über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung kann auch ein Unternehmen nicht sicher geführt werden.
Abb. 2: Navigationssystem
Quelle: eigene Darstellung
Das Navigationssystem muss an den Bedürfnissen des konkreten Unternehmens orientiert sein. Vieles kann von den Erfahrungen anderer übernommen werden. Diese Vorschläge und Vorlagen werden aber
immer etwas angepasst werden müssen. Der Anpassungsbedarf ist geringer, wenn viele Vorlagen für verschiedene Branchen, Rechtsformen und Unternehmensgrößen existieren, aus denen ausgewählt
werden kann.